9. Der Baumeister

Zur selben Zeit, in der der Knecht von Robert beraten wurde, kam sein Bruder Arne, der Feldherr in Nakara an. Vor den Mauern Nakaras hat sich eine Vorstadt gebildet, in der alle diejenigen unterkamen, die nicht in die Stadt selbst hereinkamen. Und die mussten versorgt werden. Viele Gasthäuser befanden sich hier. Händler, Handwerker, Gelehrte, Schausteller, Gaukler, Viehzüchter und auch Krieger zum Schutz haben sich angesiedelt. Es gab Schulen, mehrere Marktplätze, Gildehäuser, Tempel und sogar ein Badehaus.

Genau hier begann Arnes Suche nach einem geeigneten, aber nicht zu teuren Baumeister. Der Bedarf an Baumeistern war groß in Nakara und Nakara war bei den Baumeistern beliebt. Der Preis spielte hier oft keine Rolle und so konnten sich die Besten der Besten in prunkvollen Kunstwerken verewigen. Wer als Baumeister einen Aufenthalt in Nakara vorweisen konnte, der hatte Brot bis ans Ende seiner Tage.

In den Gasthäusern ließ Arne sein Begehren ausrufen. Auch einen Herold bezahlte er für seine Werbung. Arne unterschlug jedoch die wahre Aufgabe. Er ließ verkünden, dass die Baustelle der Ausbau eines befestigten nakarischen Außenpostens sei. Dem Baumeister, der diese Bewährungsprobe bestehen könne, würden in Nakara die besten Aufträge zufallen. Daher sei es nur gerecht, dass die Bezahlung mager ausfallen würde.

Es dauerte nicht lang, da schluckte der erste Meister seines Faches den Köder. Der Baumeister traf sich mit Arne in einem Gasthaus, um die weiteren Konditionen auszuhandeln. Arne bot ihm und auch gleich seiner ganzen Familie ein Haus zum Wohnen, Arbeiten und Schutz durch die Sechser an. Beides kostete ihn nichts. Außerdem könnte es nicht schaden, wenn die beiden Söhne des Baumeisters feste mit anpacken würden. Schließlich hätten sie selbst auch was davon. Wann kann man schon mal als angehender Geselle eine ganze Burg im Bau begleiten?

Bevor es zu einer Einigung kam, erkundigte sich Arne über die bisherigen Aufträge, die der Meister bewältigt hatte. Auch die militärische Ausbildung interessierte den Feldherrn. Immerhin sollte die Burg auch schön wehrfähig werden.

Der gute Herr Baumeister hatte keine Erfahrung im Bau von Verteidigungsanlagen, aber er hat in mehreren Kriegen als Krieger gekämpft und hatte das Vergnügen einer Belagerung standhalten zu müssen. Offenbar schien ihm das gelungen zu sein. Er war ja noch am Leben. Arne schloss daraus, dass die Verteidigung so schlecht nicht gewesen sein konnte. Außerdem war Arne sowieso eher an pragmatischen Lösungen orientier. Besser ein Baumeister, der schon mal erlebt hat, wie Verteidigungswerke eingesetzt werden, als einer, der schon viele gebaut hat, von denen er selber nicht wusste, ob sie einem Angriff standhalten konnten.

Arne machte sich nicht die Mühe, weitere Baumeister anzuhören. Der hier war aus seiner Sicht geeignet und war damit einverstanden, Arnes Versprechungen bezüglich Nakara und Kost und Logis als einzige Bezahlung zu akzeptieren. Wozu dann noch weitersuchen und unnötig Zeit verschwenden?

Außerdem suchte Arne noch einen Ingenieur. Der sollte die Burg mit raffinierten Abwehrwaffen bestücken. Das Geschäft mit dem Baumeister war schließlich so billig geworden, dass es doch Verschwendung wäre, das Budget nicht voll auszuschöpfen. Die Ingenieure hatten in Nakara eine Gilde. So war es ein leichtes einen anzuwerben. Es war außerdem leichter, einen Ingenieur direkt in Nakara anzuwerben als im Außenbezirk. Nakara hatte eine große Werft und die modernsten Verteidigungsanlagen der Welt. Ingenieure lagen hoch im Kurs.

Den Ingenieur musste Arne schon im Gildehaus auszahlen. Die Gilde sicherte ein gerechtes Einkommen und garantierte für die Qualität der Ingenieure. Einmal bezahlt, stellte der Ingenieur dann auch keine lästigen Fragen mehr. Nicht selten mussten Ingenieure mit Armeen reisen, die sie für den Bau von Belagerungsgerät brauchten. Oder sie reisten als Schiffsingenieure, wo eine Heimkehr meist in den Sternen stand. Da war ein Baueinsatz doch etwas Feines.

Arne packte seine Sachen und nahm den Baumeister samt seiner Familie und den Ingenieur unter Schutz. Das Gespann schaffte es in zwei Tagen zurück nach Aresburg. Der Baumeister wunderte sich nicht über die weite Entfernung des „nakarischen Außenbezirkes“. Immerhin war der Ruf von Nakara, der unbezwingbaren Stadt, groß genug, um einen etwas weiter entfernten Außenposten zu rechtfertigen. Nur die Frau des Baumeisters traute dem Krieger mit der Raute und der latinischen Sechs auf der Brust nicht so ganz. Ihr wäre es lieber gewesen, ihr Mann hätte einen Auftrag innerhalb der Mauern von Nakara angenommen.

Der Ingenieur hingegen war guter Dinge. Ihm gingen die ersten Entwürfe von Beschusswerken, Brandfallen und Tunnelsperren durch den Kopf. Er freute sich auf eine friedliche Zeit. Bislang war er nur auf Schlachtfeldern im Einsatz und hat geholfen, so manche Burg zu schleifen. Er kannte Hunger, Not und Seuchen und war sich sicher, dass er in Aresburg nicht von Pfeilhageln oder nächtlichen Gewaltaktionen gestört werden würde.

Der Tross kam gerade zur rechten Zeit in der Burg an. Es war Essenszeit und in der Suppe war heute Fleisch und Knochenmark. Ein Festmahl. Die Not in Aresburg schien ein Ende gefunden zu haben.


Fortsetzung am 21.04.2023 mit „Der Blender und der Fähige“

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