13. Der Steinbruch

Robert schlenderte über den Burghof. Wie immer war hier reges Treiben. Eine kleine Abordnung von Milizionären schlief in den Zelten. Sie hatten von Arne frei bekommen, damit sie für die kommende Nacht frischen waren. Der Morgennebel hatte sich im Hof schon ganz aufgelöst und die Sonne schien. Die Burg war im Gegensatz zur Landschaft frei von Schnee. Ein Teil des Burghofes und die Zuwegungen wurden regelmäßig mit Reißig, Sägemehl und Hackschnitzeln bedeckt, damit sich kein Matsch breitmachte.

„Wo ist der Knecht der Fürstin?“ Wollte Robert von einem Arbeiter wissen. Der konnte keine Auskunft geben. Robert wollte sich daranmachen, den Knecht weiter zu unterrichten. Wo konnte der Kerl bloß stecken. Sein Bruder Arne wusste vielleicht mehr.

Außerdem konnte er Arne dann auch gleich mal die Idee mit der Holzwirtschaft unterbreiten, die der Förster Hans der Fürstin vorgeschlagen hat.

Arne wirkte sehr beschäftigt. Er konnte es nicht leiden, in einem schlecht befestigten Lager aushalten zu müssen. Der Baumeister nahm noch Maß, die Lieferungen des Baumaterials verzögerten sich und waren schlecht organisiert und die Leute, die alle zu Milizionären ausgebildet werden sollten, waren nach der harten Arbeit zu müde, um das Kriegshandwerk zu erlernen, weshalb Arne die gesamte wehrfähige Bevölkerung in Schichten einteilen musste.

Als Arne Robert zu sich kommen sah, machte er ein besorgtes Gesicht. Bevor Robert etwas sagen konnte, rief Arne mit lauter Stimme: „Bruder! Schön dich zu sehen. Was hat es mit dem Schatten auf sich?“ Robert kannte seinen Bruder, der ihm das vor allem deswegen fragte, um die Aufmerksamkeit auf Arnes Dinge zu lenken. In den meisten Fällen konnte Arne es so einrichten, dass die Leute dann vergaßen, was sie eigentlich wollten. Immer Fragen stellen und wenn das nicht hilft Verwirrung stiften. So tat es Arne gern.

Robert antwortete: „Ich sag es dir, wenn ich mehr weiß. Jetzt muss ich wissen, wo der Knecht ist. Auch ich habe meine Rolle hier. Hast du den Knecht gesehen?“

Arne beharrte: „Ich muss wissen, wie die Burgverteidigung zukünftig auf den besonderen Bewohner reagieren soll. Die Burg beherrscht den gesamten Nordosten von Amontor. Wir müssen jede mögliche Bedrohung richtig einschätzen.“

Robert erzählte von dem Gespräch mit Isabel und dass der Schatten im Moment keine Bedrohung darstellte. „Feldherr, wo ist der Knecht?“

Arne war sichtlich unzufrieden mit Roberts Ausführung über den Schatten. Er hielt es schon fast für anmaßend, dass Robert die Lage so entspannt einschätzte. Für einen Feldherrn gab es kaum etwas Schlimmeres als eine unklare Lage. Arne knurrte seinen Bruder an: „Geh zum Steinbruch nördlich der Burg. Der Kerl geht dort jeden Tag mit einer Hand voll meiner Männer hin. Sag Ihm, er soll bald mal Steine liefern.“

Robert bedankte sich förmlich und begab sich zum Steinbruch. Hier fand er, wie erwartet den Knecht. Er stand mit einigen Männern an einem großen Steinblock. Die Männer schienen sich zu beraten. Robert unterbrach die Unterredung: „Knecht. Ich brauch deine Zeit. Was hält dich hier auf?“

Der Knecht wirkte etwas überfordert: „Ich habe es eingerichtet, dass der Steinbruch erschlossen wird. Nun brechen die Männer hier Steine aus dem Berg, doch sind hier keine Bergleute und keine Steinmetze. Es fehlt am richtigen Werkzeug und der richtigen Technik. Der gelieferte Bruch, ist nur teilweise für den Bau der Burg geeignet. Bevor wir mit der Unterrichtung fortfahren, muss ich der Fürstin Befehl gehorchen.“

Robert machte einen genervten Gesichtsausdruck. Warum musste gerade jetzt so viel Unerwartetes geschehen. Roberts Zeitplan war ohnehin schon knapp bemessen. Die Not zwang zum schnellen Handeln. Jetzt war geschickte Organisation gefragt. Robert drängte den Knecht: „Beende dein Werk hier, Knecht. Wir gehen sofort zur Burg und organisieren den Steinbruch neu. Wir haben keine Zeit für Verzögerungen.“ Robert wandte sich den Arbeitern zu: „Geht wieder an die Arbeit. Liefert die Qualität, die euch möglich ist. Ihr werdet bald Unterstützung erhalten.“

Der Beamte erkannte sofort die mangelnde Führungsstruktur. Jeder tat sein Bestes und jeder tat es auf seine Weise. Unkoordiniert und unbeholfen opferten die Männer und Frauen, die für den Steinbruch eingeteilt waren, ihre Kräfte für ein Werk, dass Robert bestenfalls als minderwertig bezeichnen würde. Das Treiben musste sofort ein Ende finden.

Robert nahm den Knecht mit in die Burg und rief laut in den Burghof: „Baumeister, zu mir.“ Der Baumeister begab sich sofort zu Robert und dem Knecht. Robert fragte: „Was tut Ihr hier? Ihr sollt den Bau der Burg organisieren und nehmt persönlich Maß? Kümmert Euch sofort um die Organisation. Nehmt den Ingenieur mit. Der soll Euch zu Diensten sein. Besorgt Steinmetze oder lernt welche an. Bestellt Werkzeuge beim Schmied und richtet es ein, dass der Nachschub immer im Fluss bleibt. Kümmert Euch auch um die Holzfäller und um den Transport. Hierzu lasst Euch von Hans dem Förster beraten. Holt Euch so viele Leute, wie erforderlich sind vom Feldherrn. Wenn Probleme auftreten, meldet diese sofort bei mir persönlich. Der Bau der Burg hat höchste Priorität. Nun geht ans Werk Baumeister.“

Der Baumeister tat, was Robert ihm aufgab und sendete seinen ältesten Sohn zum Steinbruch, damit dieser die Leute einwies und den Bedarf an Werkzeug ausmachen konnte. Robert war noch nicht fertig. Er rief erneut in den Burghof: „Hans zu mir. Hans der Förster zu mir.“

Hans übte im Hof den Schwertkampf. Er war heute mit der Waffenausbildung an der Reihe. Er ging zu Robert und fragte, was sein Anliegen sei. Robert legte seine Hand auf Hans seine Schulter und sprach: „Hans, du bist ein kluger Mann. Du weißt wovon du spricht und dein Können soll Anerkennung finden. Du bist mit sofortiger Wirkung zum aresburger Forstmeister befördert. Du wirst die Rodungen anleiten und dem Baumeister beim Burgbau beistehen. Besprich dich nun mit dem Baumeister und organisiere die Holzernte. Deine Ausbildung zum Krieger ist vertagt. Ich werde den Feldherrn darüber unterrichten. Diene nun deiner Fürstin, auf die Wiese, die dir bestimmt ist.“

Der Forstmeister nickte, bedankte sich und begab sich zum Baumeister. Robert hoffte, dass seine Anstöße ausreichen würden, den Burgbau voranzutreiben. Zumindest reichte es, den Knecht aus der Verantwortung zu entbinden, den Steinbruch organisieren zu müssen.

Der älteste Sohn des Baumeisters war ein geübter Steinmetz. Unter seiner Anleitung wurde der Steinabbau erheblich beschleunigt. Auch die Qualität der Steine verbesserte sich sofort. Die Werkzeuge wurden verbessert und durch die Anwendung guter Techniken verringerte sich der Verschleiß. Dennoch wurde durch die Arbeiten im Steinbruch die Schmiede vollständig ausgelastet. Würde das Schmiedefeuer nur einen Tag erkalten, kämen die Arbeit im Steinbruch und damit auch in der Burg zum Erliegen. Als der Baumeister die Bedenken seines Sohnes erfuhr, behielt er diese vorerst für sich.

Nach den harrschen Worten des Beamten wollte er es vermeiden, gleich am nächsten Tag mit einer schlechten Nachricht aufzuwarten. Gerade liefen die Arbeiten im Steinbruch hervorragend. Wozu die gute Stimmung vermiesen? Zwei Wochen lang war der älteste Sohn des Baumeisters im Steinbruch, als eine Anomalie gemeldet wurde. Der Berg gab ein magisches Objekt preis. Eine kugelförmige Blase. Kaum größer als ein Kopf. Sie schwebte als das umliegende Gestein entfernt wurde. Mehr konnte nicht beobachtet werden. Auf die Arbeiten im Steinbruch schien diese Blase keine Auswirkung zu haben. Den Arbeitern war sie nur etwas unheimlich. Das Objekt wurde dem Baumeister gemeldet, der es Robert dem Beamten und der Fürstin meldete.


Fortsetzung am 01.09.2023 mit „Das Licht im Berg“

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